Test / E-MTB: Haibike mischt die Karten in seiner AllMtn-Reihe neu. Neben den bekannten Modellen mit Bosch- oder Yamaha-Motoren rollt jetzt das AllMtn TRN/IQ mit der Pinion Motor-Getriebe-Einheit (MGU) an den Start. Die AllMtn-Bikes gelten als die Schweizer Taschenmesser im Haibike-Portfolio – vielseitige E-MTBs für den sportlichen Einsatz. Wir haben uns angeschaut, was der Neuzugang mit Pinion MGU draufhat.
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Rahmen und Design: Carbon aus Europa
Beim AllMtn TRN/IQ setzt Haibike auf einen komplett neuen Vollcarbonrahmen. Sowohl Hauptrahmen als auch Hinterbau sind aus dem leichten Werkstoff gefertigt. Ein cooles Detail: Der Rahmen wird nicht in Fernost, sondern in Portugal produziert – Respekt für diesen Schritt! Optisch geht Haibike eigene Wege. Die Linienführung ist modern, mit markanten Kanten am Steuerrohr. Auch das neue Hinterbausystem mit dem Dämpfer, der aus dem Oberrohr nach oben ragt, ist ein Hingucker. Die Integration der doch recht wuchtigen Pinion MGU ist Haibike gut gelungen. Züge und Leitungen verschwinden, wie aktuell üblich, durch den Steuersatz im Rahmeninneren. Am Hinterbau schützen Gummielemente den Rahmen. Das Bike ist für ein Gesamtgewicht von bis zu 150 kg freigegeben und fällt in die ASTM-Kategorie 4 – es darf also auch mal wilder zugehen.
Antrieb: Pinion MGU mit 800 Wh Akku
Das Herzstück ist klar die Pinion MGU E1.12. Sie kombiniert einen Mittelmotor mit bis zu 85 Nm Drehmoment (im Schnitt, variiert leicht je nach Gang ) mit einer integrierten 12-Gang-Getriebeschaltung. Die Schaltzentrale bietet satte 600 % Übersetzungsbandbreite. Geschaltet wird elektronisch per Daumenhebel am Lenker, der sich hochwertig anfühlt. Ein großer Pluspunkt der Getriebeeinheit: Man kann auch im Stand oder in der Abfahrt schalten – wer das mal hatte, vermisst es schnell. Statt Kette gibt’s einen wartungsarmen Carbon-Riemen. Das Mehrgewicht der MGU (ca. 4,1 kg ) im Vergleich zu klassischen Antrieben wird durch den Wegfall von Schaltwerk und Kassette teilweise kompensiert und sorgt für einen zentraleren Schwerpunkt.
Saft liefert ein FitTube 800 Akku mit – nomen est omen – 800 Wh. Der Energiespeicher sitzt entnehmbar im Unterrohr, geschützt von einer in Rahmenfarbe lackierten Klappe – das sieht man nicht oft. Eine Gummidichtung hält Schmutz und Wasser fern, ein Schloss sichert den Akku. Mit ca. 3,8 kg ist der Fit Akku trotz Alu-Gehäuse auch wirklich leicht. Geladen wird über einen Port unterhalb des Motors.
Infos zum System liefert das Fit Master Node Display im Oberrohr, die Steuerung der Unterstützungsstufen erfolgt über die Fit Remote Pure am Lenker. Über eine „Wippe“ lassen sich hier die verschiedenen Stufen wechseln.
Haibike AllMtn TRN/IQ: Ausstattung im Detail
Unser Testbike war das Topmodell Haibike AllMtn CF 11 TRN/IQ für rund 10.000 Euro. Beim Fahrwerk greift Haibike ins obere Regal: RockShox ZEB Ultimate Gabel und Super Deluxe Ultimate Dämpfer stellen 160 mm Federweg bereit. Gerollt wird auf DT Swiss H 1900 Laufrädern im Mullet-Setup (29″ vorn, 27,5″ hinten ). Verzögert wird mit Magura MT5 Bremsen und MDR-P Scheiben. Die Dropper Post bietet in Größe L ordentliche 170 mm Hub. Richtig gut gefallen hat uns die Reifenwahl: Continental Kryptotal in der robusten Enduro-Variante vorn und hinten – ein Top-Reifen mit gutem Grip und geringem Verschleiß. So ausgestattet bringt unser Testbike in Rahmengröße L und ohne Pedale respektable 24,6 kg auf die Waage. Damit dürfte es – gemessen an der Akkukapazität – das derzeit leichteste E-MTB mit der Pinion MGU sein.
Rahmen | Haibike AllMtn TRN/IQ |
Federgabel | RockShox ZEB Ultimate |
Antrieb | Pinion MGU E1.12 |
Akku | 800 Wh |
Dämpfer | RockShox Super Deluxe Ultimate |
Laufräder | DT Swiss H1900 |
Reifen VR | Continental Kryptotal Enduro Soft |
Reifen HR | Continental Kryptotal Enduro Soft |
Schaltwerk | Pinion MGU |
Schalthebel | Pinion TE-1 |
Kurbel | Pinion 165 mm |
Umwerfer | Ohne |
Bremse | Magura MT5 |
Bremsscheiben | Magura MDR-P 203/203 mm |
Sattelstütze | Limotech A4H 170mm (L) |
Sattel | Selle Royal Vivo |
Vorbau | Haibike The Stem++ |
Lenker | Haibike TheBar+++ |
Wer sparen will, greift zum AllMtn CF 10 TRN/IQ für 8.500 Euro. Hier gibt’s den gleichen Rahmen, aber eine etwas abgespeckte Ausstattung, unter anderem mit RockShox Psylo Gold Gabel, Super Deluxe Select+ Dämpfer und TRP Slate Bremsen.
Auf dem Trail: Komfortabler Tourer mit Nehmerqualitäten
Wie fährt sich der Pinion-Allrounder? Überraschend komfortabel! Trotz der eher abfahrtslastigen Geometrie (64° Lenkwinkel, 485 mm Reach in L ) sitzt man angenehm aufrecht. Haibike schafft hier eine gute Balance: Das Rad fühlt sich auf Touren wohl, scheut aber auch den sportlichen Trail-Einsatz nicht.
Besonders auf flacheren, technischen Trails mit Wurzeln und Stufen blüht das AllMtn TRN/IQ auf. Das Heck arbeitet sensibel, generiert viel Traktion und gibt sich komfortabel. Es vermittelt viel Sicherheit und lädt dazu ein, einfach mal neue Wege zu erkunden. Geht’s bergab richtig zur Sache, zeigt das Fahrwerk Nehmerqualitäten. Nur bei Highspeed wirkt das Heck manchmal etwas behäbig und nicht ganz so ruhig wie bei spezialisierten Enduros – was aber zum Allround-Charakter passt.
Dank Riemenantrieb ist das Bike bergab flüsterleise – herrlich! Bergauf meldet sich die Pinion MGU dann aber zu Wort, zumindest in den Gängen 1 bis 4. Hier ist sie deutlich hörbar. In den mittleren Gängen (5-8) bewegt sich die Lautstärke auf dem Niveau anderer starker Mittelmotoren, in den hohen Gängen wird sie fast unhörbar. Die Schaltpausen bei den Doppelgangsprüngen (4/5 und 8/9) sind spürbar, wenn man kurz ins Leere tritt. Im Test störte das wenig, könnte aber technische Kletterkünstler nerven.
Wo Licht ist, ist auch Schatten: Gemessen am Preis von 10.000 Euro hätten wir uns beim Topmodell potentere Bremsen als die Magura MT5 gewünscht. Auch die DT Swiss H 1900 Laufräder sind solide, aber in dieser Preisklasse eher Einstiegsniveau. Die Zugverlegung durch den Steuersatz ist funktional, aber nicht jedermanns Sache. Und der tief sitzende Riemenspanner könnte bei heftigen Aufsetzern theoretisch gefährdet sein, auch wenn wir im Test keine Probleme hatten.